DIE JÖRGER – REFORMATION IN O.Ö.
UND IN MARCHTRENK
3. FEBRUAR 2015
Die Jörger gehörten zu den vorzüglichsten Adelsgeschlechtern in der Geschichte unseres Landes und als Herrn von Steyregg auch der Geschichte von Marchtrenk. Als bescheidene Dienstmannen, um 1200 aus der Ortschaft Still bei Hofkirchen kommend, leiteten sie von „St. Jörgen“, dem heutigen St. Georgen bei Grieskirchen, ihren Namen ab.
Durch Heirat gelangen sie in den Besitz der nahen Burg Tollet, die sie zu ihrem Stammsitz ausbauen und nennen sich danach fortan Jörger von Tollet.
Mit Christoph I. Jörger (1455- 1518) beginnt der kometenhafte Aufstieg der Jörger am Hof Kaiser Friedrichs III., der lange in Linz residierte. Christophs Sohn Wolfgang IV. Jörger wird Feldhauptmann, begleitet Kaiser Maximilian I. auf seinem Kriegszug nach Brabant und Gent. Für seine Verdienste wird er vom Kaiser an dessen Krönungstag in Aachen, dem 5. April 1486, mit dem Schwert Karl d. Großen zum Ritter geschlagen. 1513 beruft ihn Kaiser Maximilian I. als ersten Ritter zum Landeshauptmann ob der Enns und damit in ein Amt, das bis dahin dem Herrenstand vorbehalten war. Die Jörger leisten den Habsburger Kaisern und Königen nicht nur vorzügliche Kriegsdienste, sondern sind vor allem erfolgreich als deren Finanz- und Vermögensberater tätig. 1522 nimmt König Ferdinand I., der Bruder Kaiser Karl V., Wolfgang Jörger, in den Hofrat auf, dem damals höchsten Verwaltungsgremium in Wien.
Der Ehe Wolfgang Jörgers mit Dorothea Raming entstammt Sohn Christoph, der 1522 nach Wittenberg geht und bei Luther studiert. Er kehrt als überzeugter Protestant aus Wittenberg zurück und hat gemeinsam mit seiner Mutter, die mit Martin Luther korrespondiert, wesentlichen Anteil an der raschen Ausbreitung des neuen Glaubens um 1525 in Oberösterreich, dem bald so bedeutende Adelsgeschlechter wie die Pollheimer, die Schaunberger, die Zelkinger und Khevenhüller anhängen. Auch die Städte Gmunden, Vöcklabruck, Wels, Steyr, Linz und Freistadt wenden sich dem Protestantismus zu. Auf Bitten Christophs und seiner Mutter schickt Luther aus Wittenberg sogar einen evangelischen Geistlichen, einen sogenannten Prädikanten, Mag. Michael Stiefer nach Tollet, der in der Schlosskirche Tollet predigt. Stiefer verlässt aber bald wieder das Land, wohl abgeschreckt vom Schicksal des dem neuen Glauben zugewandten Pfarrers Käser von Waizenkirchen, dem man den Ketzerprozess macht und in Schärding 1527 verbrennt.
Die Jörger bleiben dennoch überzeugte Anhänger Luthers. Auf Schloss Tollet werden von 1526 -1626, fast 100 Jahre ununterbrochen, evangelische Gottesdienste gehalten. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts ist Oberösterreich, nicht zuletzt dank der festen Haltung der Jörger, so evangelisch, wie es heute katholisch ist. Trotz dieses Gegensatzes zum katholischen Landesfürsten und Kaiser bekleiden die Jörger hervorragende öffentliche Ämter.
Helmhart Jörger der Ältere setzt die Tradition der Finanz- und Vermögensverwalter für den Kaiser fort, wird Hofkammerrat, Oberster Erblandhofmeister und ist wiederholt kaiserlicher Kommissär an den Landtagen ob der Enns. Helmhart kann den Familienbesitz bedeutend vermehren und wird sogar zum Geldgeber des Prälatenstandes, dem er die große Summe von 36.000 fl. vorstreckt. In Scharnstein lässt er als Unternehmer eine florierende Sensenschmiede errichten. Als er 1594 verstirbt, weist der Nachlass ein fürstliches Vermögen von 600.000 Gulden aus.
Helmhart Jörger der Jüngere, 1572- 1631, Sohn von Wolfgang V. wird führender Vertreter des evangelischen Adels, von dem damals das Landhaus in Linz prachtvoll ausgebaut wird . Durch Helmhart gelangt auch Johannes Kepler an die neue Landschaftsschule in Linz. Helmhart ist ein umsichtiger und streitbarer Mann, der höchst sachkundig und geschickt die kleinsten Rechte seiner Untertanen selbst verteidigt. So tritt er erfolgreich für die Fischereirechte der Kapperner Fischer gegenüber dem Abt von Kremsmünster ein. 1600 beklagt sich der Pfarrer von Hörsching, Melchior Rueff beim Landeshauptmann Löbl über die evangelischen Gottesdienste, die der Jörger in der Kirche zu Marchtrenk von Prädikanten abhalten lässt. Der Landeshauptmann gebietet 1601 dem Jörger den Prädikanten zu entlassen, die Kirche zu schließen und die Kirchenschlüssel dem Pfarrer Rueff zu übergeben. Dem Prädikanten muss der Jörger 1602 den Abschied geben, um den neuesten kaiserlichen Befehlen zu entsprechen, jeden fremden und unkatholischen Gottesdienst zu unterlassen, aber die Kirchenschlüssel rückt er nicht heraus. Der Protestantismus gewinnt in der Folge wieder an Boden. 1618 ersuchen die Marchtrenker Helmhart Jörger sogar einen gewissen Nicolaus Schepperus von Schlaccowaldensis (Schlaggenwald) als Prädikanten in Marchtrenk zu bestätigen. So ist wohl in der Zeit von 1580 -1620, in der die Jörger Herrn von Steyregg sind, unsere heute alte gotische Pfarrkirche das erste evangelische Gotteshaus in Marchtrenk gewesen.
Das Schicksal der Protestanten in Oberösterreich entscheidet sich mit dem Aufstand der evangelischen Landstände von Böhmen gegen Kaiser Ferdinand II., den die evangelischen Landstände ob der Enns unterstützt haben und der 1620 mit der Niederlage der Protestanten in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag endet. Die evangelischen Geschlechter von Oberösterreich verlieren dadurch, vom Kaiser als Hochverräter betrachtet, großteils ihre Güter, so auch die Jörger ihr Stammschloss Tollet. Der katholische Kaiser setzt nun die Gegenreformation rigoros durch. Wer nicht zum Katholizismus zurückkehrt, muss auswandern. Ein Teil der Familie Jörger emigriert nach Regensburg und Nürnberg. Helmhart Jörger wird als einer der Haupträdelsführer zum Tode verurteilt, letztlich aber 1625 begnadigt und erhält mit vielen Auflagen wenigstens die Herrschaft Steyregg zurück. Er stirbt 1639. Bereits 1631 geht Steyregg – und damit auch das Amt Marchtrenk – an Helmharts Schwiegersohn David aus der Familie Ungnad von Weißenwolff über, von der im Erbwege das Schloss Steyregg an die Familie der Grafen von Salm-Reifferscheid gelangt, die es heute noch besitzt.
Nochmals beginnt der Stern der Jörger zu leuchten: Johann Quintin I. Jörger (1624-1705) konvertiert zum katholischen Glauben. Damit können die Jörger aus Regensburg an den Kaiserhof in Wien zurückkehren. Johann Quintin wird alsbald kaiserlicher Hofkämmerer und für seine Verdienste mit dem Ritterorden vom Goldenen Vlies belohnt, Sein Sohn Johann Quintin II. dient im kaiserlichen Heer als Generalmajor, kämpft bei Belgrad erfolgreich gegen die Türken, wird Feldmarschallleutnant und 1738 schließlich General der Kavallerie. Sein Sohn Quintin III. aber ist schicksalhaft krank und bleibt kinderlos. Mit ihm stirbt 1772 das Geschlecht der Jörger, das über zwei Jahrhunderte unsere Landesgeschichte ganz nachhaltig geprägt hat, im Mannesstamme aus.
Beitrag erstellt von Erwin Prillinger.