Matinee in der alten kath. Kirche
Bild: Dagobert Kropsch
Das von russischen Kriegsgefangenen gemalte Deckenbild
Bild: Leo Weber
Kulturimport durch das Kriegsgefangenenlager Marchtrenk
von Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Hubmer
Kulturimport durch ein Kriegsgefangenenlager – das mag nur auf den ersten Blick ungewöhnlich sein. Dass sich aber unter den rund 35.000, meist russischen, serbischen und italienischen Gefangenen im riesigen Lager aus dem 1. Weltkrieg, auch künstlerisch begabte Menschen fanden, ist nicht nur eine Frage der Statistik – Marchtrenk selbst zählte Ende 1914 gerade einmal 2.000 Einwohner.
Auch für ein Gefangenenlager galt, dass der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt. Daher wurde von oberster Stelle Beschäftigungsmöglichkeiten für die Freizeit bewilligt: Es gab eine Lesestube mit einer kleinen Bibliothek und Gefangene fanden sich in Laienspielgruppen oder Musikkapellen, wodurch eine rege Lagerkultur entstand.
Letztes Jahr stellte der Museumsverein Marchtrenk ein von russischen Gefangenen gemaltes Bild in der alten katholischen Kirche in den Mittelpunkt einer Ausstellung. Das Bild selbst zeigt das Lager von der B1 aus betrachtet (mit der Pfarrkirche im Hintergrund), das der (oder die) Künstler unter den Schutz der drei Heiligen Georg, Michael und Mauritius stellten. Waren sie auch physisch weit entfernt der Heimat, so fanden sie doch hier eine geistige Heimat im Glauben.
Zusätzlich gaben Schautafeln Einblicke in das Lager und das Lagerleben. Außerdem war ein weiterer Kulturimport zu sehen: der „Eiserne Tisch“, eine russisch-italienische Koproduktion. Der Tisch ist nicht aus Eisen, wie der Name vermuten ließe, sondern aus Holz – aber trotzdem von beachtlichem Gewicht. Den Namen erhielt der Tisch von den Nägeln, die gegen eine Spende für Kriegswaisen in den Tisch geschlagen werden konnten. Am Rand der Tischplatte findet sich ein Spruch, der zum Nachdenken anregt:
Der Eiserne Tisch, er sei geweiht,
Den Söhnen dieser eisern Zeit,
Den Vätern zum Gedächtnis,
Den Enkeln zum Vermächtnis!
Ich selbst lese dabei immer „von den Kindern dieser eisern Zeit und den Eltern zum Gedächtnis“, da ich auf keinen Fall die Töchter und Mütter vergessen möchte, die ebenso wie die Söhne und Väter unter den Kriegswirren litten.
Im Sinne des Vermächtnisses fand auch eine Matinee statt, bei der Mag. Wolf Dorner in eindrucksvoller und einfühlsamer Weise Texte gegen den Krieg las. Umrahmt wurden die Lesungen von stimmungsvoller Musik, dargeboten von Lehrern der Landesmusikschule Marchtrenk. Die gut besuchte Veranstaltung zeigte, dass sich viele Menschen von dieser Thematik berühren lassen und sich sichtbar für die Erhaltung des Friedens und des friedvollen Zusammenlebens einsetzen wollen.