Hinter Stacheldraht
Das Kriegsgefangenenlager Marchtrenk im Ersten Weltkrieg

von Julia Walleczek
Das Interesse für die Problematik der Kriegsgefangenen des Ersten Weltkriegs entdeckte die Salzburger Historikerin Mag. Julia Walleczek bei den Vorarbeiten zu ihrer Diplomarbeit im Jahr 2005. Im Mittelpunkt der Aufarbeitung stand das Lager für überwiegend russische Soldaten in der Gemeinde Grödig bei Salzburg. 
 
Auch das Kronland Oberösterreich war ein gefragter Standort für den Bau von Kriegsgefangenenlagern. Für die militärischen Behörden war die große Entfernung zu den Frontverläufen ausschlaggebend. Geplant für mehr als 30.000 feindliche Soldaten, übernahmen die Lagerkomplexe zwischen 1914 - 1918 eine entscheidende Rolle in der Internierung und Verschiebung von meist russischen, serbischen und italienischen Gefangenen. Selbst die friedliche Gemeinde Marchtrenk sah sich Ende 1914 mit einem militärischen Großprojekt konfrontiert. In ihrer Dissertationsarbeit erweitert Frau Walleczek den Untersuchungsgegenstand auf die Oberösterreichischen Lagerkomplexe des Ersten Weltkriegs, wobei dem Lager Marchtrenk besonderes Augenmerk gilt. Daraus ergab sich die Zusammenarbeit mit dem Museumsverein Marchtrenk, der entscheidend zur Realisierung dieses Projektes beiträgt. 
Ein beängstigendes Szenario bot sich Ende des ersten Kriegsjahres 1914 den Bewohnern der rund 2000 Seelengemeinde Marchtrenk. Östlich des Ortes, auf einer riesigen Fläche entlang der Reichsstraße, begannen erste Bauarbeiten zur Errichtung des Lagers. Jeder Protestversuch der einheimischen Bevölkerung gegen die Verwirklichung dieses Projekts – trotz wirtschaftlichen Profits heimischer Unternehmen – wurde vom Militär im Keim erstickt. 
Die Zeit lief allen Beteiligten davon. Zusätzlich erschwerte der Wintereinbruch den Baufortgang. Das Militär war auf jede Arbeitskraft angewiesen. Zivilisten beteiligten sich ebenso an der Fertigstellung, wie auch Kriegsgefangene zur Arbeit herangezogen wurden. Weiteres Problem war die Materialzulieferung, welches schließlich im Jänner 1915 durch den Bau einer vier Kilometer langen Schleppgleisanlage von der Station Marchtrenk in das Lager gelöst wurde. 
Wie viele Baracken hier errichtet wurden! In kürzester Zeit wuchs eine Stadt - eine Barackenstadt, die durch zahlreiche Wachposten und drei Meter hohe Stacheldrahtzäune hermetisch von der zivilen Siedlung abgeschottet wurde. Tag und Nach herrschte reger Betrieb. Die Ankunft vieler Züge mit Tausenden von Gefangenen nahm kein Ende. Ihre Zahl sprengte die Kapazitäten des Lagergeländes. Zusätzliche Unterkünfte mussten gebaut werden: das gesamte Kriegsgefangenenlagerareal bestand schließlich aus drei Teillagern, wovon das letzte erst 1916 fertig gestellt wurde. In verschiedene Sektionen gegliedert, verfügte die Barackenstadt über alle wichtigen Einrichtungen: Lagerverwaltung, Krankenabteilung, nterkünfte für kriegsgefangene Offiziere, sowie Mannschaftsunterkünfte, Magazine, Küchenbaracken, Speiseräume. Das Kriegsgefangenenlager besaß ein eigenes Postamt und verschiedene Werkstätten, in denen die Gefangenen Gegenstände des täglichen Bedarfs erzeugten.